Quinoa, Chia, Açaí, Gerstengras, Goji… und wie sie alle heißen. Alle superexotisch und alle supergesund. Superfoods eben. Seit einigen Jahren stehen in den Supermarktregalen alle möglichen Saaten, Früchte und Getreide aus fernen Ländern und werden wie verrückt gekauft, weil sie versprechen die neuen gesündesten Lebensmittel überhaupt zu sein. Ein Riesentrend. Aber stimmt das? Sind Superfoods wirklich so super?

Ja, sind sie. Das einmal vorweg. Quinoa ist eine nelkenartige Pflanze aus dem südamerikanischen Hochland, steckt voller Mineralstoffe und Vitamine und ist ein toller Lieferant für pflanzliches Eiweiß. Es wird hierzulande häufig als Ersatz für herkömmliche Getreidesorten verwendet. Chiasamen liefern reichlich gesunde Omega 3-Fettsäuren und Ballaststoffe. Die Açaí ist eine Beere, in der eine Menge Mineralstoffe, Vitamine und Antioxidantien stecken. Sie ist in Mittelamerika heimisch.
Superfoods sind also tatsächlich gesund, weil sie eine Menge gesunder Inhaltsstoffe mitbringen, die der Mensch braucht. Aber dennoch ist der Hype um sie Unsinn.

Superfoods sind vom Marketing übermäßig aufgeblasen worden

Die Marketingexperten der Lebensmittelindustrie haben einen fantastischen Job gemacht, wenn es darum geht, Superfoods zu vermarkten. Sie haben bei den Verbrauchern die Erwartung geschaffen, die Beigabe von Superfoods würde ihre Mahlzeiten gesund machen. Sie sollen das, was sie essen – von dem viele wissen, dass es nicht sehr gesund ist – aufpeppen.

Es ist in gewisser Weise ein Ablasshandel. Wer von sich weiß, dass er nicht so isst, wie er es sollte, tut ein paar Superfoods dazu und alles ist wieder im gesunden Rahmen. Das ist ebenso gefährlich, wie es unwahr ist. Denn eine gesunde Ernährung hängt nicht nur an ein paar gesunden Samen, sondern an der Gesamtkomposition.

Wer sich morgens Chiasamen ins Müsli tut und mittags wieder Pommes und Currywurst ist, hat sich kaum gesünder ernährt als hätte er das Superfood ganz weggelassen.

Pseudoreligiöses Verhalten aus Mangel an fundiertem Ernährungswissen

Viele Verbraucher sind sehr verunsichert darüber, was gesunde Ernährung eigentlich ist. Das liegt oft daran, dass in der breiten Bevölkerung kaum fundiertes Wissen über artgerechte menschliche Ernährung vorhanden ist. Gleichzeitig ist das Thema Ernährung stark modegetrieben, sodass manche Trends fast religiöse Züge annehmen, denn wer wenig Wissen über etwas hat, muss glauben. Da hat das Marketing der Lebensmittelindustrie leichtes Spiel.

Heimische Äpfel und Rote Bete sind auch Superfood

Gleichzeitig kommt mit dem Superfood-Mythos die Auffassung daher, heimische Lebensmittel könnten nicht an die Qualität und Nährstoffdichte der Exoten heranreichen. Das stimmt nicht. Die exotischen Superfoods sind in keiner Weise den heimischen überlegen.

Äpfel stecken voller Folsäure und Vitamin C. Außerdem bringen sie Kalium, Eisen, Magnesium und diverse sekundäre Pflanzenstoffe mit. Rote Bete ist ein Nährstoffgigant und genau wie Hafer ein wahres Superfood. Hafer hat einen sehr hohen Eiweißgehalt, ist gut gegen erhöhte Blutfettwerte, Diabetes und Übergewicht. Hafer hilft bei Bluthochdruck und erhöhten Cholesterinwerten. Dazu ist Hafer spottbillig.

Etwas ganz Ähnliches gilt für Nüsse, Mandeln und Pistazien. Die sind meist nicht eben regional, aber sie werden in Europa angebaut und müssen nicht aus Südamerika importiert werden. Mandeln enthalten eine Menge guter Omega 3-Fettsäuren und bestehen zu zehn Prozent aus Ballaststoffen, von denen ein überwältigender Anteil der deutschen Bevölkerung viel zu wenig isst. Mandeln liefern Spurenelemente, sekundäre Pflanzenstoffe und Vitamine. Wer regelmäßig Mandeln isst, hat ein deutlich geringeres Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko.

Statt Açaí-Beeren können genauso gut auch heimische zuckerarme Beeren ins Müsli. Heidelbeeren zum Beispiel, Himbeeren, Brombeeren und Erdbeeren je nachdem, was in der Saison gerade reif ist.

myFoodDoctor: regionale Superfoods.

Regionale Superfoods sind genauso gut wie die Trend-Superfoods aus Südamerika. Außerdem sind sie billiger und haben nicht so lange Transportwege. Wer Superfoods will, wird auf dem Wochenmarkt ebensogut fündig.

Teurer und giftiger als heimische Lebensmittel

Europäische Superfoods punkten durch ihre kurzen Transportwege. Sie sind günstiger, weil sie nicht quer über den Ozean verfrachtet werden müssen und es weniger Importeure und Zwischenhändler gibt, die mitverdienen wollen. Außerdem sind sie frisch und mit höherer Wahrscheinlichkeit  frei von Giftstoffen. In exotischen Superfoods werden dagegen immer wieder Giftstoffe gefunden, weil die Hygienebestimmungen und Bioauflagen in den Herkunftsländern oft eher lax gehandhabt werden.

Exotische Superfoods haben heimischen Lebensmitteln nichts voraus. Eine gesunde Ernährung kann man mit heimischen Superfoods deutlich billiger und mit weniger Aufwand haben. Der exotische Touch, den die Werbung so überdeutlich betont, verwirrt eher, als dass die Superfoods einen sinnvollen Mehrwert zu einer ausgewogenen Ernährung leisten.

Extrakte und Ergänzungsmittel aus Superfoods

Neben den Superfoods selbst stehen auch Nahrungsergänzungsmittel in Form von Pulvern, Tabletten und Sirupen in den Regalen: Extrakte, die angeblich das Beste aus den Superfoods in konzentrierter Form bündeln sollen. Hier gilt dasselbe wie für jedes andere Nahrungsergänzungsmittel auch:

Sie sind nicht normiert. Es gibt keine Studien darüber, welche Extrakte in welcher Konzentration welche Effekte erzielen. Es gibt keine zentrale Zulassungsstelle und keine staatliche Aufsicht. Jeder Hersteller kann behaupten, was er will.

Vor der Einnahme eines solchen Präparates sollte unbedingt ein Ernährungsmediziner zu Rate gezogen werden. Außerdem sollte man sich immer die Frage stellen: Brauche ich dieses Präparat überhaupt? Meist kann der Nährstoff auch über eine herkömmliche Ernährung aufgenommen werden.

Superfood-Extrakte isolieren einzelne Nährstoffe und verzichten auf viele andere

Aber das größte Problem mit den Superfood-Nahrungsergänzungsextrakten ist, dass sie einen oder gleich mehrere Nährstoffe isolieren. Der Mensch braucht in seiner Ernährung etwa zehntausend verschiedene sekundäre Pflanzenstoffe, die alle für unsere Gesundheit wichtig sind. Davon sind bisher nur ein paar Tausend erforscht.

Das heißt: Wer diese sekundären Pflanzenstoffe aus den Superfoods in konzentrierter Form über Nahrungsergänzungsmittel zu sich nimmt, der verzichtet damit auch auf ein paar Hundert der übrigen sekundären Pflanzenstoffe. Der gesundheitliche Effekt vieler Lebensmittel entfaltet sich aber oft nur durch das Zusammenspiel mit den übrigen Inhaltsstoffen.

Ein gutes Beispiel dafür ist Vitamin C bei Grauem Star. Wir wissen, dass Vitamin C gegen Grauen Star wirkt, aber nur dann, wenn es als Lebensmittel im Zusammenspiel mit anderen Nährstoffen verzehrt wird. Vitamin C allein kann den Katarakt nicht verhindern.

Exotische Superfoods sind also tatsächlich Superfoods. Aber heimische Lebensmittel sind mindestens genauso gut.

Wer auf Quinoa, Chia und Co. schwört und sie in seinen Ernährungsplan aufnimmt, macht ernährungsphysiologisch nichts falsch, aber er verursacht unnötige Transportwege, gibt deutlich mehr Geld aus als nötig wäre und macht gesunde Ernährung komplizierter als sie sein müsste.

Mehr zu diesem und ähnlichen Themen:

  • weiterlesen
  • weiterlesen
  • weiterlesen