Dir sind bestimmt schon häufiger beim Einkaufen die bunten Farbskalen mit den Buchstaben ‘A’ bis ‘E’ aufgefallen, die sich auf vielen Lebensmitteln befinden und du dachtest, du tust dir etwas Gutes, wenn nur die Produkte mit einem grünen ‘A’ in deinem Wagen landen? Heute erzähle ich dir etwas zu diesem sogenannten Nutri-Score und wie du ihn tatsächlich in der Praxis einordnen und anwenden kannst.
Was ist der Nutri-Score?
2014 hat das französische Gesundheitsministerium „Santé Publique France“ die Idee eines Nährwertkennzeichnungssystems hervorgebracht, damit Lebensmittel in puncto Inhaltsstoffe durch die Verbraucherin und den Verbraucher leichter eingeschätzt werden können. 2017 wurde dann in Frankreich und ein Jahr später u.a. in Belgien, Spanien und der Schweiz der heutige Nutri-Score eingeführt. Auch bei uns in Deutschland wurde 2019 eine repräsentative Verbraucherbefragung durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft durchgeführt, um sich für eines von verschiedensten solcher Nährwertkennzeichnungssysteme zu entscheiden. Die Mehrheit wählte dabei ebenfalls den Nutri-Score, welcher nun seit 2020 angeboten wird [1].
Allgemein handelt es sich dabei um eine 5-stufige Farbskala, die auf freiwilliger Basis von Herstellern auf die Vorderseite von verarbeiteten Produkten aufgebracht werden kann. Dabei wird durch die Buchstaben, die von einem grünen ‘A‘ bis zu einem roten ‘E’ reichen, angezeigt, ob es sich bei dem Produkt um ein inhaltlich günstiges oder ein ungünstiges Produkt handelt [1].
Wenn sich ein Hersteller für die Nutzung des Nutri-Scores entschieden hat, muss er sich beim französischen Gesundheitsamt auf kostenfreier Basis anmelden und ist anschließend verpflichtet, die Farbskala nicht nur auf einzelne Lebensmittel zu drucken, sondern muss dies dann für sämtliche Produkte der angemeldeten Marken umsetzen. Dies verhindert, dass nur die am besten bewerteten Produkte eine Farbskala bekommen [2].
Was sagt der Nutri-Score genau aus und was vor allem nicht?
Der Nutri-Score bewertet Lebensmittel nach einer bestimmten Gleichung, auf die ich im nächsten Abschnitt eingehe. Die Bewertung bezieht sich dabei immer auf 100 Gramm oder 100 Milliliter eines Produkts, um eine faire Vergleichbarkeit zu gewährleisten. Dadurch soll es dir als Verbraucherin oder Verbraucher leichter fallen, zwischen verschiedensten Produkten zu unterscheiden und günstigere Lebensmittel auszuwählen [2].
Ein erster häufiger Irrtum ist dabei, dass die Farbskalen etwas darüber aussagen sollen, ob ein Produkt gesund oder ungesund ist. Dem ist jedoch nicht so [3][4]. Es geht hier lediglich darum, dass bestimmte Inhaltsstoffe gegeneinander aufgerechnet werden und Produkte im Vergleich mit anderen ein günstigeres oder weniger günstiges Nährwertprofil haben. Das heißt, dass selbst ein Produkt mit einem grünen ’A’, was für die beste Bewertung spricht, nicht automatisch gesund sein muss, da sich trotzdem Inhaltsstoffe darin befinden können, die nur von günstigen ‘überdeckt’ werden [2].
Ein zweiter, sehr häufiger Irrtum bezieht sich auf die Vergleichbarkeit der Produkte. Immer wieder höre ich, warum die Lieblingspizza ein günstiges ‘B’ bekommt, während das hochgelobte Olivenöl nur ein ‘C’ oder sogar ‘D’ erhält. Wo ist da die Verhältnismäßigkeit?
Zum einen kommt hier wieder der schon beschriebene Aspekt zum Tragen, dass die Bewertung eben nichts über gesund oder ungesund aussagt und zum anderen ist ein Vergleich von Produkten nur für die gleiche Produktgruppe gedacht [2]. Der typische „Äpfel mit Birnen“-Vergleich kommt hier zum Zug, denn es soll eben keine Pizza mit dem Öl und auch nicht die Cola mit dem Früchtemüsli verglichen werden. Für dich in der Praxis heißt das, dass du beim Brotkauf nur die einzelnen Brote untereinander vergleichen solltest und auch beim Joghurt nicht zur Käseabteilung läufst, um dich auf Basis des Nutri-Scores entscheiden zu können. Dies klingt vermutlich etwas oberflächlich, erleichtert das Ganze aber, wenn du das im Hinterkopf behältst. Außerdem gibt es damit auch keine ‘verbotenen’ Lebensmittel. Stattdessen hast du immer die Möglichkeit, ein besser bewertetes Alternativprodukt auszuwählen.
Wie erfolgt die Bewertung der Produkte?
Nun weißt du schon ein bisschen darüber, was der Nutri-Score eigentlich aussagt. Spannend ist jetzt aber, wie es überhaupt zu den unterschiedlichen Bewertungen kommt.
Die Farbskala mit den Buchstaben ’A‘ bis ‘E‘ steht für eine Gesamtpunktzahl, die sich durch die Verrechnung von günstigen und weniger günstigen Inhaltsstoffen ergibt. Ganz konkret zählen der Energiegehalt, gesättigte Fettsäuren, Zucker und Salz als ungünstig [2]. Das heißt nicht, dass diese per se schlecht sind. Jedes Lebensmittel hat natürlich eine gewisse Menge an Energie bzw. Kalorien. Aber je mehr von diesen Inhaltsstoffen auf 100 Gramm oder Milliliter in einem Lebensmittel enthalten sind, desto mehr Punkte bekommt das entsprechende Lebensmittel und je ungünstiger ist es nach dieser Rechnung.
Warum gesättigte Fettsäuren als negativ gewertet werden und warum Fett nicht gleich Fett ist, erfährst du in: gesunde-und-ungesunde-fette-was-du-wissen-musst
Insgesamt können durch diese vier Werte jeweils 10 Punkte, in Summe also 0 bis maximal 40 Punkte erreicht werden. 40 wäre hier der schlechteste Wert. Auf der anderen Seite werden dann die günstigen Inhaltsstoffe mit 0 bis minus 5 Punkten gegengerechnet. Dazu gehören die drei Kategorien Ballaststoffe, Eiweiß und als dritter Anteil die Summe aus Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten, Nüssen, Raps-, Oliven- und Walnussöl, für die es insgesamt eine Wertung zusammen gibt. Hier können demnach 0 bis maximal minus 15 Punkte erreicht werden [2].
Vermutlich klingt es verwirrend, dass günstige Inhaltsstoffe Minuspunkte erhalten und ungünstige Pluspunkte. Am Ende ist für dich im Geschäft aber zum Glück nur der farbige Buchstabe entscheidend. Und dieser ist nach der obigen Beschreibung z.B. bei einem ‘A’, wenn die Gesamtpunktzahl kleiner als 0, also im Minusbereich ist. Je mehr Energie, Salz, gesättigte Fettsäuren oder Zucker ein Produkt hat, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass am Ende ein guter Buchstabe dabei rauskommt. Noch komplizierter für dich als Verbraucherin oder Verbraucher ist es dann noch, dass nicht alle Lebensmittel gleich berechnet werden, sondern für Käse, Öle und Fette sowie Getränke die Punkte etwas anders vergeben werden. Dadurch soll ein gutes Olivenöl zum Beispiel nicht die schlechteste Bewertung bekommen, da dort insgesamt mehr gesättigte Fettsäuren enthalten sind als in vielen anderen Produkten [2].
Die Berechnung dieser Werte übernehmen die Hersteller übrigens selbst und diese sind auch für die Korrektheit verantwortlich. Seit dem 1. März 2023 gibt es nun aber auch einen Kontrollapparat in Deutschland, der die Berechnungen und das Aufbringen der Farbskalen auf Produkten unabhängig überprüft [4]. Dass dies nicht immer einfach ist, zeigt sich schon dadurch, dass zum Beispiel die Menge an Ballaststoffen in einem Produkt nicht verpflichtend auf der Verpackung stehen muss und auch die exakten Mengen an Obst und Gemüse nicht genau ablesbar sind [2].
Ist der Nutri-Score nun eine gute Sache oder nicht?
Ein abschließendes kurzes Fazit zum Nutri-Score zu ziehen, ist alles andere als leicht. Es gibt viele Stimmen für, aber auch nicht wenige speziell gegen diese Nährwertkennzeichnung.
Ein positiver Punkt ist mit Sicherheit, dass dir ein leicht verständliches Werkzeug an die Hand gegeben wird, das eine einfache Vergleichbarkeit von Produkten ermöglichen soll. Wenn hier in der Öffentlichkeit noch besser auf die richtige Anwendung und vor allem die Irrtümer, wie oben beschrieben, eingegangen würde, könnte dies die Akzeptanz sicherlich noch weiter fördern.
Durch diese einfache Vergleichbarkeit müssen auch Hersteller reagieren, wenn diese plötzlich öffentlich sichtbar ungünstigere Produkte auf dem Markt haben als ihre Konkurrenten. Der Nutri-Score kann daher sogar dazu führen, dass Hersteller ihre Rezepturen anpassen und verbessern müssen, was grundsätzlich eine gute Sache für uns sein kann [5]. Eine Schwäche des Nutri-Scores ist jedoch, dass nur bestimmte Inhaltsstoffe in die Rechnung einbezogen werden. Zusatzstoffe und Aromen, wie z.B. Süßstoffe finden hier keine Beachtung und könnten bei einer ’Verbesserung‘ der Rezepturen und der Bewertung vermehrt eingesetzt werden, um im Gegenzug beispielsweise Zucker oder Salz zu reduzieren. An dieser Stelle muss dir auch noch einmal bewusst sein, dass eine bessere Farbskala nicht automatisch für ein gesundes Produkt spricht. Günstige Inhaltsstoffe können die ungünstigen auch nur überdecken. Zudem wird auch die aktuelle Bewertung von Zucker und Ballaststoffen sowie die fehlende Einbeziehung des Vollkornanteils in Produkten immer wieder kritisiert und eine Anpassung gefordert [2].
Der Nutri-Score kann auch nicht für die gesamte Produktpalette verwendet werden. Unverarbeitete Lebensmittel wie Obst und Gemüse, aromatische Kräuter, Tees, reiner Kaffee, alkoholische Getränke, Produkte für Kinder bis drei Jahre sowie Produkte zur klinischen Ernährung und Tiernahrung sind nicht für den Nutri-Score gedacht [2].
Ein letzter Punkt, den ich hier aufführen will, ist die Freiwilligkeit der Nutzung des Nutri-Scores. Hat sich ein Unternehmen für die Anwendung entschieden und sich mit seinen gewünschten Marken angemeldet, müssen alle Produkte dieser Marken eine Farbskala bekommen. Jedoch ist kein Unternehmen überhaupt zur Verwendung verpflichtet, so dass gar nicht alle Produkte im Markt miteinander verglichen werden können. Ein Marktcheck 2022 ergab bei über 1400 getesteten Produkten ein Vorhandensein des Nutri-Scores von nur rund 40 %. Dies bemängeln u.a. die Verbraucherzentralen und fordern hier ein deutlich höheres Tempo von den Herstellern [2].
Am Ende ist das Ziel klar: dir als Verbraucherin oder Verbraucher soll es leichter gemacht werden, unter der Fülle von Produkten die nährstofftechnisch günstigeren schneller bzw. überhaupt zu erkennen. Dies ist eine riesige Aufgabe und vermutlich gibt es auch keine Alternative, die in allen Punkten perfekt ist. Jedoch wird auch der Nutri-Score immer wieder überprüft und nach und nach angepasst, so dass die Verbesserungen der kritisierten Punkte hoffentlich nur eine Frage der Zeit ist.
Trotzdem entscheidest du letztendlich allein, ob dir der Nutri-Score nützt und dir den Einkauf erleichtert oder ob du dich selbst von der bunten Lebensmittelwelt inspirieren lässt und für dich herausfindest, wie einfach und schmackhaft eine gesunde Ernährung sein kann.
Zusammenfassung des Nutri-Scores
- Der Nutri-Score vergleicht Produkte nur innerhalb der gleichen Produktgruppe
- Die Bewertung sagt nichts darüber aus, ob ein Produkt gesund oder ungesund ist
- Er wird freiwillig von den Herstellern angegeben, muss dann aber auf alle Produkte der angemeldeten Marken aufgedruckt werden
- In der Berechnung gelten folgende Inhaltsstoffe als günstig:
- Ballaststoffe
- Eiweißgehalt
- Summe aus Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten, Nüssen, Raps-, Oliven- und Walnussöl
- Negativ angerechnet werden die folgenden ungünstigen Punkte:
- die Höhe des Energiegehalts
- gesättigte Fettsäuren
- Zucker
- Salz
- Käse, Öle und Fette sowie Getränke werden gesondert berechnet
Quellen
[1] A. Neubert, „Jetzt wird’s bunt – Das neue Kennzeichnungssystem Nutri-Score,“ 2021.
[2] Verbraucherzentrale, „Nutri-Score: Das bedeutet die Kennzeichnung,“ 17 Januar 2023. [Online]. Available: https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/kennzeichnung-und-inhaltsstoffe/nutriscore-das-bedeutet-die-kennzeichnung-76209. [Zugriff am 4 April 2023].
[3] Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, „Nutri-Score einfach erklärt: Informationen für den Einkauf,“ 9 Oktober 2020. [Online]. Available: https://www.bmel.de/DE/themen/ernaehrung/lebensmittel-kennzeichnung/freiwillige-angaben-und-label/nutri-score/nutri-score-erklaert-verbraucherinfo.html. [Zugriff am 4 April 2023].
[4] Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, „Hilfestellung für Unternehmen – Einführung des Nutri-Score,“ 1 März 2023. [Online]. Available: https://www.bmel.de/DE/themen/ernaehrung/lebensmittel-kennzeichnung/freiwillige-angaben-und-label/nutri-score/naehrwertkennzeichnung-hilfestellungen.html#doc73490bodyText8. [Zugriff am 4 April 2023].
[5] Verbraucherzentrale Hamburg, „Nutri-Score – das sollte man wissen,“ 27 März 2023. [Online]. Available: https://www.vzhh.de/themen/lebensmittel-ernaehrung/nutri-score-das-sollte-man-wissen. [Zugriff am 4 April 2023].
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